Review: Fantasian Neo Dimension

Review: Fantasian Neo Dimension


Vielen Dank an Square Enix & MSM Digital für das Bereitstellen der von uns genutzten Review-Version! Wir haben dieses Spiel für PC getestet.


 

In der Videospielwelt gibt es inzwischen ja einiges an Plattformen, unter denen man wählen kann. Manche bevorzugen den PC, wiederum andere fühlen sich auf Konsolen zu Hause und manch einer bevorzugt das Smartphone auf dem täglichen Arbeitsweg. Während erstere durchaus gesellschaftlich valide Unterhaltungsmöglichkeiten sind, etablierte sich vor allem letzteres als Dorn im Auge für die hartgesonnene Spielerschaft. Glatt könne ein jeder davon ausgehen, dass Videospiele auf dem Telefon noch näher an der Hölle sind, als die LCD Uhren von Tiger Electronics. Dem stelle ich mich seit Jahren entgegen, denn es gibt durchaus sehr gute Videospiele für Tablets, sowie Smartphones. Klar, auf dem ersten Blick wird auch schlichtweg sehr viel redundantes deutlich, doch manchmal muss man halt auch mal einfach etwas graben.

Diesem Trend wollte Apple im Jahr 2019 entgegentreten und mit Apple Arcade ein Abonnement bzw. Modell auf den Markt bringen, wo es ausschließlich qualitativ hochwertige Videospiele für mobile Geräte geben sollte. Das ganze war natürlich vollständig im Ökosystem des in Cupertino ansässigen Unternehmens verankert und bot plattformübergreifendes Spielen. Das Angebot war auch bereits zu Beginn ziemlich gut und belebte einige Indie-Studios wieder, wie unter anderem Wayforward mit einem neuen Shantae oder auch Oceanhorn 2. Das Problem hierbei war jedoch die Apple Exklusivität. Ohne die entsprechende Peripherie war es schlicht nicht möglich auf die Titel zuzugreifen. Leider können die Spiele auch bis heute (Stand Dez/24) nicht käuflich erworben werden. Folglich war ein Zugriff nicht mehr möglich, sobald Titel XY aus dem Programm flog.

Warum ich das alles erzähle? Naja zum einen ist Dienstagmorgen und ich habe gerade nichts zu tun auf der Arbeit – und zum anderen hatte Mistwalker – das Studio von Final Fantasy Schöpfer Hironobu Sakaguchi – im Jahr 2021 ebenfalls exklusiv ein Rollenspiel namens Fantasian für die Plattform veröffentlicht. Damals noch in zwei Abschnitten, wurde am 06.12.2024 nun der Fluch der Apple Exklusivität gebrochen – und das Ergebnis ist ein sehr schön überarbeitetes Rollenspiel der alten Schule, dass jeden Blick für Genrefans wert ist. Ob es auch für andere taugt – das erfahren wir jetzt.

 

Die Story

Blue Dragon (Microsoft Xbox 360, 2006)

Doch wer ist eigentlich Mistwalker – fragt sich vermutlich fast niemand, doch ich werde es trotzdem kurz erläutern. Wie bereits zwischen den Zeilen erwähnt handelt es sich hierbei um das Studio des einstigen Final Fantasy Schöpfers Hironobu Sakaguchi, der nach einem phänomenalen finanziellen Flop des Final Fantasy Films „Die Mächte in dir“ Square Enix verlassen musste. Im Jahr 2004 wurde schließlich Mistwalker gegründet mit Hilfe von Microsoft, die den japanischen Xbox Markt durch die neue Entwicklerschmiede voran treiben wollte.

Lost Odyssey (Microsoft Xbox 360, 2007)

In Zusammenarbeit mit anderen Studios kamen die bis heute exklusiven Xbox 360 Spiele Blue Dragon und Lost Odyssey heraus, die allesamt in Kooperation mit Genregrößen entstanden, wie beispielsweise Akira Toriyama, Nobue Uematsu. Microsoft hatte an der Stelle auch keinerlei Finanzen gescheut und warb ebenso Deep Purple an, organisierte berühmte japanische Kurzgeschichtenschriftsteller und versuchte zumindest Blue Dragon zu einer großen multimedialen Marke auszubauen. Entsprechend bekam auch nur letzteres mehrere Titel. Im Jahr 2011 sollte die Kooperation mit Microsoft allerdings ein Ende nehmen und man veröffentlichte mit „The Last Story“ auf der Nintendo Wii das vermeintlich letzte Sakaguchi Spiel.

Ganz das Ende war es dann allerdings nicht, da er immer wieder neue Titel für Android, sowie IOS entwickelte, was uns zu guter Letzt zu Fantasian führt. Und dazu springen wir jetzt einmal in die Geschichte des Spieles.

The Last Story (Nintendo Wii, 2011)

 

Die Geschichte

Der erinnerungslose Protagonist

Die Geschichte… nun wo soll ich da anfangen? Unser Protagonist erwacht in einem ihm sehr unbekannten Umfeld und wird von zwei Robotern geweckt. Doch er kann sich an nichts mehr erinnern und irgendwie ist die ganze Welt gegen ihn. Als ich die Prämisse anfangs laß, weckte dies in mir ein tiefes Gähnen. Zu oft habe ich schon den Helden gesehen, der unter Gedächtnisschwund litt und zu oft war die Auflösung hier eher zäh.

Das Design der Welten ist schön

Nun muss ich allerdings sagen, dass das dem Spiel hier keinen Abbruch tut. Die Charaktere sind sehr interessant geschrieben und ich hatte viel mehr das Gefühl, dass die Narrative über den Gedächtnisschwund bewusst aufs Korn genommen wird. Die Dialoge bieten in der Richtung sehr viel Witz und lassen unseren Protagonisten auch manchmal etwas blöde wirken, doch das ist eine gelungene Abwechslung in einer eher abwechslungsgeringen Grundprämisse. Grundlegend ist die Handlung nämlich ganz spannend und man hat durchaus Interesse dran zu verstehen, was nun in dieser Welt passiert und welche tragende Rolle wir darin spielen. Früh entpuppt sich auch der vermeintliche Antagonist der Geschichte – Vam the Malevolent – was sich unfreiwillig komisch in „Vam der böswillige“ übersetzen lässt.

Ergo – die Geschichte funktioniert, hat durchaus ihre interessanten, sowie nachvollziehbaren Wendungen und bietet einen recht bunten Cast aus gut geschriebenen Figuren. Außerdem gibt es ein Feature, dass ich bereits in Lost Odyssey liebte. Wichtige Erinnerungslücken, sowie Flashbacks werden in Form von Kurzgeschichten erzählt, die einem besonderen Artstyle im Hintergrund folgen. Diese sind allesamt sehr gut geschrieben – und wie bereits in Lost Odyssey – bieten sie einen fantastischen Anker, falls die Erzählstruktur der Haupthandlung doch mal nachlässt. Euch erwartet bestimmt nicht Goethes Faust im Spektrum einer komplexen Geschichte, doch sie unterhält allemal.

Ich bin der böse Vam der Böswillige

Die Grafik

Die Dioramen sind ein klares Highlight

Wusstet ihr dass für das Spiel im realen Leben über 150 Dioramen gebastelt wurden? Nein? Dann wisst ihr es jetzt. Das Spiel ist wirklich sehr schön anzusehen, wenn man sich auf die Karten beschränkt. Jeder Bildschirm ist ein Diorama, das aus verschiedensten Kamerawinkeln in echt abfotografiert wurde. Wenn man so will, ist es die logische Entwicklung eines vorgerenderten Hintergrundes, wie man es aus den 90er Jahren kennt. Diese stecken voller Details und laden auch zum Erkunden ein. Manchmal betrüben diese allerdings die Perspektive etwas, da es durchaus die eine oder andere unsichtbare Wand gibt.

Die Bossdesigns sind schön abwechslunsgreich

Schauen wir uns jedoch die Charaktermodelle an – vor allem aus der Nähe in Zwischensequenzen, erwacht manchmal das Grauen der Gesichtsanimationen und Optik. Während ich die allgemeinen Designs der Figuren wertschätze, so konnte ich manchmal nicht glauben, dass das zum Charakter gezeichnete 2D Bild tatsächlich die Figur auf dem Bild sein möchte. Auf der anderen Seite haben wir jedoch wirklich gigantische und schön animierte Bossgegner, das Monsterdesign ist ziemlich abwechslungsreich und insgesamt haben wir ein rundes Paket – solange ich nicht zu nah an Gesichter herangehe zumindest.

 

Die Musik

Hier könnte ich Nobue Uematsu schreiben und wäre gefühlt fertig, leider zwingen mich meine Chefredakteure zu etwas mehr Engagement. Spaß beiseite – die Musik ist wirklich hervorragend gewählt und klingt Uematsu typisch gut. Wer bereits Videospiele, wo er die Musik komponierte – gespielt hat, wird sich hier vertraut vorkommen, jedoch in einer guten Art und Weise. Soundeffekte sind auch allesamt sehr nachvollziehbar und uns bleiben ja inzwischen auch Schrittgeräusche erspart.

Auch in diesem Spiel dürfen Luftschiffe nicht fehlen… die von Monstern angegriffen werden

Außerdem bietet das Spiel ein Feature, dass ich mir allumfassend ab jetzt immer von Square Enix wünsche. Die Kampfmusik ist an sich super, doch irgendwer kam auf die glorreiche Idee einfach Musik aus anderen Rollenspielen des japanischen Entwicklers auswählen zu können und das sogar auch noch zufällig. So kann ich die Kampfmusik von Final Fantasy XVI endlich in einem guten Japan-RPG hören. Leider wurde hier – vermutlich aus Lizenzgründen – die Chance vertan, mir meinen Wunschboss-Song aus Blue Dragon „Eternity“ zu erfüllen.

 

Das Gameplay

Lichtmagie im Bogen innerhalb eines Dimengeon Kampfes

Fantasian Neo Dimension erfindet das Rad nicht neu, sondern ist ein durchaus stimmiges Rollenspiel aus spielerischer Sicht. Wir laufen mit einer Gruppe aus bis zu drei Personen rum, treiben die Handlung voran und erkunden dabei die verschiedenen Orte. Mit dabei ist so ziemlich alles, was man sich erwartet: Ein Levelsystem, Ausrüstungsmöglichkeiten, eine sporadisch genutzte Weltkarte und jede Menge Kisten, sowie Knopfdrückrätsel. Es ist also im wahrsten Sinne des Wortes klassisch, fühlte sich allerdings auch nie ermüdend an. Die einzelnen Abschnitte sind durch den vorherigen Fokus von Apple Arcade sehr kurzweilig und werden nie all zu ermüdend. Dadurch lässt sich das Spiel auch sehr gut in kurzen Etappen zwischendurch genießen, ohne großartig an Unterhaltung zu verlieren.

Ein paar Besonderheiten gibt es nun aber doch. Das Kampfsystem funktioniert zwar klassisch rundenbasiert, doch im Akt selbst gibt es die eine oder andere kreative Idee. Zum einen lassen sich Zauber, sowie Fertigkeiten und Gegenstände immer auf einen Schnellauswahlknopf (RT/R2) legen, während die linke Schultertaste standardmäßig normales Angreifen bleibt. Während die Kämpfe ohnehin eher kürzerer Natur sind, ist das doch ein schönes kleines Feature. Außerdem ist die Auswahl, sowie die Platzierung der Feinde relevant, denn Fähigkeiten und manche normalen Angriffe lassen sich charakterspezifisch steuern. Entsprechend kann Magie in einem frei justierbaren Bogen so platziert werden, dass man Gegner hinter einer Deckung oder mehrere auf einmal erwischt. Andere Fähigkeiten wählen einen Radius aus, während manche auch die Abwehr durchstoßen und alle Ziele dahinter treffen. Das Spiel ist an dieser Stelle sehr kreativ und schafft etwas seltenes in einem japanischen Rollenspiel – alle Charaktere sind nützlich und ziemlich gut miteinander kombinierbar. Während das in den herkömmlichen Zwischenkämpfen übermächtig wirkt, muss man bei Bossgegnern durchaus seinen Kopf einschalten, um nicht völlig überwältigt zu werden.

Wenn er nicht zu einer Band gehört, ist er bestimmt böse

So bekam ich auf dem normalen Schwierigkeitsgrad immer wieder mal gehörig auf den Deckel und schaffte manch einen Gegner nur knapp, obwohl ich meines Erachtens gut vorbereitet war. Über die Zuganzeige lässt sich erblicken, wer wann dran ist. Etwas kurios ist, dass es außerhalb einer Blockfähigkeit keine Möglichkeit zum Verteidigen gibt. Entsprechend ist das Kampfsystem größtenteils sehr offensiv strukturiert und auch statusveränderte Fähigkeiten sind oft mit Schaden verbunden. Das ist sicherlich Geschmackssache, doch ich hatte da viel Freude dran als notorischer Verteidigungsignorant.

Apropos Kämpfe – hier hat das Spiel einen halbwegs sinnigen Ausweg gefunden, um zum einen nicht den Bildschirm mit Gegnern bei der Erkundung zu überfluten, jedoch auch zu vermeiden, dass alle drei Meter ein Scharmützel stattfinden muss. Durch den sogenannten Dimengion werden ausgelöste Zufallskämpfe verschoben. Dafür gibt es einen Zähler in der oberen Hälfte des Interfaces. Sobald dieser die 30 übersteigt, kommt es zu einem großen Kampf, der zum einen mehr Erfahrung, aber auch seltene Gegenstände gewährt. Durch die cleveren Anwendungen von Fähigekeiten lassen sich diese großen Auseinandersetzungen auch deutlich schneller lösen. Das ist eine gute Lösung für ein altbackenes Problem, hat jedoch den Nachteil das ein einzelner Kampf auch gut und gerne mal bis zu fünf Minuten dauern kann und das Dimengion funktioniert nur bei Gegnern, gegen die man bereits einmal gekämpft hat. Neue Monster führen also grundsätzlich trotzdem erstmal zum Zwischenkampf – trotzdem ganz nett.

Nun bekommt man noch eine Schnellreise, einige Nebenmissionen und schon ist das wirklich sehr solide Rollenspielsüppchen fertig gekocht.

 

Die Wertungen

Damit kommen wir dann zu den Wertungen.

Gameplay:

75

Erfindet das Rad nicht neu, hat jedoch ein paar interessante Features, wie justierbare Angriffe und den Dimengion.

Sound:

85

Nobue Uematsu und der frei wählbare Kampfsoundtrack überzeugen sehr gut, doch es blieb nicht so wirklich was im Kopf

Grafik:

80

Die Dioramen sind wirklich schön anzusehen, leider trüben die Charaktermodelle das Bild doch spürbar an manchen Stellen.

Geschichte:

70

Geht gut mit dem Amnesieklischee um, doch es bleibt ein Klischee und Vam der Böswillige.

Gesamtwertung
78

 

Das Fazit

Fantasian Neo Dimension ist eines dieser Spiele, wo ich eine klare Wertung aussprechen kann. Es nutzt seine typischen Genreklischees, sowie Bausteine und verpackt diese in einem unterhaltsamen Rollenspiel, dass nicht länger bleibt als es muss und vermutlich auch sollte. Der Multikonsolenrelease war eine gute Entscheidung und eine Kooperation zwischen Hironobu Sakaguchi und Square Enix habe ich in diesem Leben nicht mehr so wirklich kommen sehen, doch ist es ein schöner Gang durch die recht starken 90er Jahre beider Parteien. Während ich Dragon Quest III HD-2D Remake noch gefühlt jedem ans Herz legen konnte, würde ich hier eher den altertümlichen Spruch „Genre-Fans greifen zu, der Rest spielt Probe“ zurückgreifen. Außerhalb seiner Genrewurzeln, macht es dann doch zu wenig, um eine breitere Massen anzusprechen. Nichtsdestotrotz wünsche ich mir weiterhin mehr solcher Titel aus dem Hause Square Enix – insbesondere weil es sich auch wie ein Videospiel anfühlt – eben nicht mehr, jedoch auch nicht weniger. Nun entschuldigt mich bitte – ich muss zur Traumabewältigung, weil der Vam der Böswillige mir zu böse war.

 


Fantasian Neo Dimension erschien am 06. Dezember 2024 für Nintendo Switch, PlayStation 4/5, Xbox Series X/S und PC via Steam

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Über Michael 16 Artikel
Als neuer "alter" Redakteur befasse ich mich mit News rund um die Publisher und Entwickler Schmiede Square Enix. Wenn ich mich nicht gerade mit alten Videospielen für die Return rumschlage, gehe ich in meiner Freizeit Boxen und Volleyball spielen.

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