Am 10.03.2017 erschien NieR: Automata bei uns im Westen für die Playstation 4. Der 17.03.2017 ist der Stichtag für die PC-Spieler. Ich habe bereits viel aus Japan über das Spiel gehört und habe mich auf ein gutes Spiel eingestellt. Aber das, was ich dann tatsächlich geboten bekommen habe, hat mir den Atem verschlagen. Doch zuerst ein paar Fakten nebenbei:
NieR: Automata ist ein Action-JRPG, welches von PlatinumGames entwickelt wurde. Das Publishing übernahm, wie bei allen Taro Spielen, Square Enix. Die Welt von NieR wurde uns erstmal 2010 auf Playstation 3 und Xbox 360 präsentiert. Das Spiel fand leider nur sehr wenig Anklang, obwohl es ein durchaus solider und guter Titel gewesen ist. Doch unter denen, die es spielten, bildete sich eine eigene Fangemeinschaft. Meist waren es auch Fans der Drakengard-Reihe, welche in demselben Universum angesiedelt ist wie NieR. Mit einem Sequel rechnete niemand, dementsprechend war die Überraschung und Freude groß, als die Produktion an Automata 2014 begann.
Yoko Taro ist ein Freigeist, der schon immer sehr eigen gewesen ist. Das spiegelt sich auch in seinen Spielen wider, in denen man oft sehr unübliche Dinge erleben darf. Ob es das erzwungene Löschen des Spielstandes in Drakengard 1 ist, viele Enden mit verschiedenen Perspektiven oder verworrene Geschichten – all dies ist ein Markenzeichen von ihm. Auch NieR: Automata zählt zu den unverwechselbaren Werken aus der Riege des Taros.
Inhalt
„Alles, was lebt, muss auch sterben.“
Mit diesen Worten beginnt die Geschichte. Eine Geschichte, bei der ich sehr vorsichtig formulieren muss, denn bei Automata kann es schnell zu einem Spoiler kommen. Hier wird die Handschrift von Taro richtig deutlich, da vieles erst einmal wirr und zusammenhanglos scheint. Anfangs weiß man einiges gar nicht richtig einzuordnen, nach einer Erklärung sucht man vorerst vergebens.
Deswegen habe ich mit dem Review auch länger gewartet, damit ich den vollen Umfang bewerten kann. Das Spiel besteht aus insgesamt vier Spieldurchläufen, wobei jeder ein anderes Ende (A-E) und teilweise auch eine andere Handlung bietet. Die Geschichte bekommt durch Verlauf A und B ein Konstrukt, eine Art Pfeiler. Auf diesem bauen dann die Spieldurchläufe C und D auf. Das Ende E erreicht man durch Ende C oder D, unter bestimmten Voraussetzungen. Jetzt, wo ich alle Nebenquests und 26 Enden erreicht habe, bin ich bereit für dieses Review. Keine Sorge, die Enden F-Z sind sogenannte „Scherzenden“ und fallen eher weniger ins Gewicht… wobei…! Nein, wir belassen das jetzt einfach mal dabei.
Die Rahmenhandlung beginnt auf der Erde, einem Planeten ohne Menschen. Eine Alieninvasion vertrieb die Menschheit auf den Mond. Die Aliens produzierten Maschinen, die sie bei dieser Invasion unterstützten. Um die Erde wieder zurückzuerobern wurde die Organisation YoRHa ins Leben gerufen, welche komplett aus Androiden besteht. Wir erleben die Geschichte aus der Sicht von den Einheiten B2 und dem Scannermodell 9S. Eine Reise voller Erkenntnisse, Intrigen und Philosophie beginnt. Besonders Letzteres hat eine große Gewichtung in NieR: Automata. Die Frage nach dem Gut und Böse, schwarz und weiß beginnt. Auch existenzielle Fragen und das Thema Identität sind zentrale Themen der Rahmenhandlung.
Weiter möchte ich die Storyelemente nicht betonen, da jedes Wort zu viel ist. Ich kann nur sagen, dass die Geschichte einem in Häppchen präsentiert wird. Wir erfahren die Geschichte aus so vielen Perspektiven und lernen die Welt zu verstehen. Ob es der Fokus auf die Maschinen, Androiden oder die Menschen ist – alles wird sehr solide und übersichtlich erzählt. Durch die diversen, teils unterschiedlichen Spieldurchläufe, bekommt man immer weitere Erkenntnisse und hat schlussendlich eine Story, die einen umhaut. Ich habe mit vielem nicht gerechnet und war sehr überrascht, in welche Richtung uns Taro führt. Aber insgesamt kann ich sagen, dass die Geschichte durchweg fantastisch ist. Nicht nur die, auch die Charaktere sind allesamt gut geschrieben und weisen vor allen Dingen eins auf: Glaubwürdigkeit.
Abseits der Hauptgeschichte gibt es viel zu tun!
Neben der Haupthandlung hat man die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten Nebenaufgaben zu erledigen. Diese unterscheiden sich kaum zu typischen Rollenspielaufgaben a la „Hol mir dies!“, „Bekämpfe das!“ oder „Bring das von A nach B.“. Aber was alt und bekannt ist, muss nicht unbedingt schlecht sein. Die Nebenquests haben mir sehr viel Spaß gemacht, da sie einem oft interessante Informationen über die „Arten“ (Androiden, Menschen, Maschinen) offenbaren. Außerdem gibt es auch einige Nebenaufgaben, die bestimmten Charakteren noch mehr Tiefe verleihen. Zudem balanciert PlatinumGames die Arten von Nebenaufgaben so gut, dass es einem nicht so schnell monoton vorkommt. Mit diesen Aspekten werden die „alten“, bereits bekannten Questtypen aufgefrischt und machen Lust auf mehr. Die Entlohnung für die Mühen fällt auch meistens sehr verhältnismäßig aus. Das motiviert einen gleich noch mehr, die Welt weiter zu erkunden. NieR: Automata schafft es auch hier, den Ehrgeiz des Spielers anzuregen – daraus folgt eine regelrechte Vorfreude auf neue Kapitel, da diese neue Nebenaufgaben mit sich bringen könnten!
Auch musikalisch muss sich NieR: Automata nicht verstecken
Keiichi Okabe und Keigo Hoashi haben als Komponisten auch in NieR: Automata eine wahre Meisterleistung vollbracht. Die Musik ist absolut atmosphärisch und gliedert sich in jedes Szenario perfekt ein. Das Interessante an der ganzen Geschichte ist, dass es sehr viele Stücke sowohl in einer instrumentalen Version, als auch mit Gesang gibt. Als wenn das nicht schon genug wäre, wird der Gesang manchmal sogar von einem Chor ergänzt oder in eine 16Bit Musik verändert. Je nach Ort und Aktion wechselt das Stück flüssig in seine eigene alternative Version. Das ist etwas, was ich so noch nie erlebt habe. Man läuft durch die Wüste, eine wunderschöne orientalische Musik untermalt die Szenerie. Dann betritt man die Ruinen einer Stadt und plötzlich stimmt ein Gesang zu der Melodie ein, als ob dieser nur darauf gewartet hat. Beim Verlassen verstummt dieser genauso flüssig, wie er kam. Das hat mich an so vielen Stellen sehr stark beeindruckt. Auch die Vielzahl an verschiedenen Stücken hat mich wirklich umgehauen. Das ein oder andere Mal erwischte ich mich dabei, wie ich seit fünf Minuten einfach nur in der Gegend herumstand und der Musik lauschte. Selbst der Abschluss von Nebenaufgaben kann einen bestimmten Song einleiten. Wer das nicht zu schätzen weiß, ist ein wirklicher Schelm! Nein, ernsthaft. Schämt euch, wenn euch die Musik nicht berührt!
Das Gameplay ist das i-Tüpfelchen
Dieses Spiel bietet bereits eine starke Handlung, interessante Nebenaufgaben und eine wirklich phänomenale Musik. Diese drei Indikatoren könnten sogar schon ein schlechtes Gameplay herausreißen. Doch selbst das Gameplay ist in NieR: Automata sehr innovativ und relativ flüssig. Ich spielte das Spiel auf einer Playstation 4 Pro und hatte kaum Probleme im Spielfluss.
Die Menüs sind sehr übersichtlich und passend zum Thema des Spiels gestaltet. Man weiß, wo man etwas findet und hat obendrauf auch eine Shortcut-Funktion, bei der man z.B. mitten im Kampf schnell essentielle Dinge, wie Gegenstände verwenden oder die Ausrüstung zu ändern, sehr schnell erledigen kann. Die Weltkarte war für mich anfangs ein Minuspunkt, jedoch muss ich gestehen, dass ich im Laufe des Spiels sehr gut mit der Karte zurechtkam. Man musste sich erst einmal daran gewöhnen. Im Nachhinein gefällt sie mir doch sehr gut.
Stilistisch bietet das Spiel einen Perspektivenwechsel, der in bestimmten Passagen erzwungen wird. Dieser ist bereits aus anderen Spielen des Drakengard-/Nier-Universums bekannt. Mir persönlich gefiel dieser Aspekt sehr gut, da er frischen Wind in das Gameplay bringt und manchmal auch sehr hilfreich sein kann. Jedoch ist das gewiss nicht jedermanns Sache, deswegen denke ich, dass einige Spieler sich hier etwas umstellen müssen und dies zu Problemen führen könnte.
Das Kampfsystem ist in NieR: Automata durch und durch ein gelungenes System, das alles bietet, was das Action-Herz begehrt. Die Kämpfe sind schnell, (positiv) stressig und können auch fordernd werden. Blindes Draufhauen ist nicht immer die optimale Lösung, ein Gefecht zu beenden. Hier wird taktische Finesse geboten, da man ein breites Arsenal an Waffen zur Auswahl. Zum einen hat man die Auswahl zwischen Klein-, Großschwertern, Speeren und Armschienen. Jede Waffe hat unterschiedliche Fähigkeiten, die man durch das Schmieden freischaltet. Diese Fähigkeiten sind sehr nützlich, da jeder Spielertyp das Richtige für sich finden kann.
Neben diesem Arsenal gibt es noch den Pod, den man auch noch individualisieren kann. Der Pod ist eine kleine Robotereinheit, die neben der Protagonistin herfliegt und schießt. Neben dem regulären Angriff kann man dem Pod ein Programm (eine Technik) zuweisen, wie z.B. das Schießen eines starken Laserstrahls.
2B selbst kann man auch noch stärken, indem man sie mit sogenannten Plug-In-Chips ausrüstet. Neben den Chips, die Offensive und Defensive stärken, gibt es auch sogenannte Unterstützungs-Chips. Hier gibt es eine breite Palette, die z.B. die Ausweichdistanz erhöht oder die Bewegungsgeschwindigkeit erhöht.
Wenn man perfekt gerüstet ist, stürzt man sich in den Kampf gegen Maschinen. Die meisten sehen sehr ähnlich aus, was aber sehr einleuchtet, da diese in Massen produziert wurden – um zu töten. Da das Thema Identität handlungstechnisch auch wichtig ist, denke ich, dass das monotone Design hier auch ein stilistisches Mittel ist, damit die Maschinen nicht „individuell“ wirken. Trotz alledem unterscheiden sich Maschinen deutlich in ihrer Art zu kämpfen. So gibt es welche, die sich auf den Nahkampf spezialisieren oder solche, die mit Projektilen um sich schießen. Ob klein, groß, auf dem Boden oder in der Luft – es wird nie langweilig.
Was ich als störend empfunden habe, sind gelegentliche Einbrüche in der Framerate. Besonders in schnellen Kämpfen fiel dies vehement auf und hat den Spielspaß doch ein wenig gesenkt. Beim Erkunden der Welt ist mir dies jedoch eher weniger aufgefallen.
Die Bosskämpfe können sehr fordernd sein, da jeder Boss ein anderes Vorgehen erfordert. Hier kommt es auch zu Perspektivenwechsel, besonders in Phasen, in denen der Endgegner mit Projektilen auf einen schießt. Hier macht der Wechsel sogar Sinn und hilft dem Spieler in einer solchen Situation deutlich. Besonders in späteren Gebieten gibt es Maschinen, die nicht gerade geizen mit ihrem Projektil-Beschuss. Das Gefühl, einen dieser Bosse besiegt zu haben, ist meist unbezahlbar.
Gelegentlich gibt es auch Missionen, die man in der Luft mit einer Flugeinheit bewältigt. Hier schießt man im Stile von Space Invaders gegnerische Einheiten ab und versucht sich so wenig wie möglich treffen zu lassen. Eine ähnliche Spielmechanik erwartet einen auch mit der Hacking-Option. Sobald man eine Truhe, Tür oder einen Gegner hackt, kommt man in ein Minispiel, welches im Grunde dasselbe Prinzip wie das, mit den Flugeinheiten hat. Insgesamt war beides sehr unterhaltsam.
Ansonsten hat man noch die Möglichkeit zu angeln. Diese Funktion konnte ich noch nie in Spielen leiden, jedoch wurde sie in NieR: Automata sehr simpel umgesetzt. Man schmeißt den Pod in einen Teich, wartet bis etwas anbeißt und triggert dann kurz die X-Taste – fertig! Das hat sogar mir Spaß gemacht. Der von mir erwartete Frust trat nie ein.
Veraltete Grafik, die dem Spiel jedoch nicht schadet
NieR: Automata ist garantiert kein Spiel mit High-End-Grafik und das soll es auch nicht sein. Ich habe der Grafik eines Spiels nie sonderlich viel zugeschrieben und sehe das immer nur im Gesamten. Der Grafikstil muss sich bei mir einfach nur perfekt in das Spiel einordnen können – und das tut er in NieR: Automata. Ich finde die Grafik wunderschön und sehr stimmig. Die triste Atmosphäre in den zerstörten Städten, in denen nach und nach die Natur alles zurückerobert, passt perfekt. Auch die „Dungeons“, meist dunkle Orte, sind perfekt in Szene gesetzt und der ein oder andere Lichteffekt wertet das Ganze auf. Je nach Ort wechselt auch die Farbintensität, die z.B. im Bunker, der Zentrale der YoRHa-Einheiten, komplett fehlt. Solange man sich dort aufhält ist alles in schwarz-weiß gehalten.
Ein Meisterwerk
NieR: Automata lieferte einen perfekten Start in das Jahr 2017. Hier bekommen wir alles, was das Zockerherz begehrt. Eine innovative, geniale Geschichte, actionreiches Gameplay und atemberaubende Musik in einer atmosphärisch dichten Welt. Kleine Schwächen, wie die Grafik und das teils hektische Gameplay fallen im Kontext kaum bis gar nicht auf. Ich hatte sehr viel Spaß mit diesem Titel und kann ihn jedem (Action-)JRPG-Fan ans Herz legen. Deswegen vergebe ich die volle Punktzahl an dieses, anders kann ich es nicht bezeichnen, Meisterwerk.
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